C D s
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NEUES AUS
DER MUSIKWELT
JAZZ
Tingvall Trio
BEAT
Skip CD
(auch als LP geplant)
(
54
’)
Für das Tingvall Trio - so scheint es
- soll Musik vor allem schön sein
und Spaß machen. Das ist nicht
strafbar. Aber Pianist Martin Ting-
vall, Bassist Omar Rodriguez Cal-
vo und Drummer Jürgen Spiegel
schütten auf ihrer neuen CD ein
Füllhorn der Harmonieseeligkeit
aus, die Motive sind oft an Harm-
losigkeit kaum zu überbieten. Da
ist die schmale Linie zum Kitsch
bald überschritten. Laut Platten-
firma ist Tingvall sowohl von Mc-
Coy Tyner als auch von Black Sab-
bath geprägt. Das hört man kei-
neswegs, wären das doch Musiker,
die bis an die existenziellen Aus-
drucksgrenzen vorgestoßen sind.
T.U.
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★
David Binney
ANACAPA
Criss Cross/HM
CD______________ (
71
]
Literaturfans stießen auf „Ana-
capa“ in dem ökologische Prob-
leme thematisierenden Roman
„Wenn das Schlachten vorbei ist“
des Bestseller-Autors T. C. Boyle.
Für David Binney jedoch hat die
vor der kalifornischen Küste gele-
gene Vulkaninsel eine andere Be-
deutung: In seiner Jugend sah der
Saxofonist sie jeden Morgen auf
seinem Schulweg. Die Erinnerung
daran und andere zurückliegende
Ereignisse führten zu dem Konzept-
album. Auf insgesamt zehn Origi-
nals verlässt Binney bekannte Dis-
trikte des Modern Jazz und ergänzt
diese mit spannend verabreichten
Spuren von elektronischer Musik,
Rock und Reggae.
G.F.
MUSIK
KLANG
Christoph Grab
RAW VISION
Unit/Avi/JaKla/HM
CD____________(
42
)
Von ungefährem Vorstellungsver-
mögen, wie es der Titel „Raw Vi-
sion“ unterstellt, kann keine Re-
de sein. Christoph Grab entlarvt
sich mit seiner so benannten CD
als ein Meister der Untertreibung.
Wie der offenbar in vielen musika-
lischen Gattungen erfahrene Züri-
cher Saxofonist mit seiner Spielwei-
se die Band zu ereignisreichen Im-
provisationen animiert, bescheinigt
ihm erstklassige Leader-Qualitäten.
Von der den Groove bestimmenden
Bassfigur in „Abstract View“, dem
mit Blues beruhigten „Melanchole-
riker“ bis hin zu der orientalischen
Einfärbung im „Zeitraffer“ begeis-
tert die musikalische Vielfalt.
G.F.
MUSIK ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★
Younee
JUGENDSTIL
Fulm
inantmusic/Membran CD
(66')
In ihrer Heimat Korea soll die Pia-
nistin und Singer/Songwriterin be-
reits ein Star sein, bei uns hinge-
gen ist Younee, deren Name wie
der Sommermonat Juni ausgespro-
chen wird, noch ein Geheimtipp.
Die Künstlerin absolvierte eine ge-
diegene klassische Klavierausbil-
dung, hatte jedoch an einer klas-
sischen Pianistenkarriere kein In-
teresse: „Ich hatte immer die Vor-
stellung, dass Beethoven - wenn
er heute lebte - vielleicht andere
Mittel verwenden würde.“
Und so formt sie auf ihrem Pia-
no-Soloalbum „Jugendstil“ aus po-
pulären klassischen Themen jaz-
zige Stücke, die die altbekannten
Melodien auf neue Weise beleuch-
ten. Da findet sich eine ebenso
witzige wie musikalisch schlüssi-
ge Blues-Bearbeitung von Beet-
LIVE AT THE VILLAGE VANGUARD
Pi Recordings/HM
CD
(auch als LP erhältich) (
64
’)
Nur ein paar Akkorde braucht es,
um Kern/Hammersteins „Old Man
River“ anzustimmen, und Marc Ri-
bot tut es beinahe zärtlich, um spä-
ter zu seinem robusten Ton zurück-
zukehren. Ribot im Village Vanguard
- das klingt ein wenig nach feindli-
cher Übernahme. Denn er ist und
bleibt der Gitarrenrebell, der sich
nur partiell unter der Rubrik Jazz ein-
ordnen lässt.
Zu viel Rockiges durchsetzt sein
Spiel. Aberwitzig schnelle Läufe, ele-
gante Gitarrenvolten, gedämpfte Ak-
korde eines Jim Hall, wie man sie in
diesem Club gewohnt ist, wird es von
ihm nie geben - eher geschluderte
Riffs, schroff herausgepresste Single
Notes. All das fungiert vor allem als
musikalische Signalfarbe, die zeigt:
Hier kommt einer, der sich keinen
Deut um Konventionen schert. Und
so geht es an diesem Abend des
30
.
Juni
2012
im Village Vanguard wei-
ter: Albert Aylers „The Wizard“, sein
„Bells“, dazu zwei Coltrane-Songs.
Ribot riffelt die Themen auf, ver-
lässt sich in rauer Diktion auf seine
Mitstreiter: Chad Taylor am Schlag-
zeug und die Basslegende Henry
Grimes. Beide agieren bewusst
rüde. Allen dreien geht es um
den
Funken
schlagenden
Au-
genblick, wenn sich aus dem ab-
strakt
gestischen
Durcheinan-
der schließlich das Thema he-
rausschält. Es ist kein Zufall, dass
Ribot sich mit Coltrane und Ayler die
Ahnväter des befreiten Jazz musika-
lisch ins Boot holt. Verzerrt schlei-
fen sich Ribots Töne ineinander.
Henry Grimes, diese Free-Legende,
tritt im Village Vanguard zum ers-
ten Mal seit
1966
wieder auf. Jahr-
zehntelang hatte er der Szene den
Rücken gekehrt. Und Ribot selbst
versucht den gitarristischen Schul-
terschluss mit Derek Bailey; der war
immerhin auch ein ganz Wilder auf
den sechs Saiten.
T ilm a n U rb a ch
MUSIK ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★ ★ "
1
hovens
„Schicksalmotiv“
aus
dem Kopfsatz der fünften Sin-
fonie neben einer a la Duke El-
lington harmonisierten „Haba-
nera“ aus Bizets „Carmen“ und
einer ausdrucksstarken Jazzbal-
lade über das Thema von Sme-
tanas „Moldau“. Überzeugend wir-
ken Younees Bearbeitungen im-
mer dann, wenn die beliebten Me-
lodien in einen harmonisch oder
rhythmisch völlig neuen Zusam-
menhang gebracht werden. Des-
halb enttäuscht das Stück „Dream
In The Dream“, da es über wei-
te Strecken Debussys „Arabeske“
ausschließlich im Original zitiert,
und auch das poppige Impromp-
tu „Reminiscence“, das die „Pro-
menade“ aus Mussorgskys „Bil-
dern einer Ausstellung“ aufgreift,
kann nur mit wenigen originellen
Ideen aufwarten.
Pianistisch setzt Younee ih-
re Ideen klangschön um, mit ge-
konnter dynamischer Feindifferen-
zierung. Nur in den höchsten bei-
den Oktaven des Klaviers klingt es
manchmal ein wenig klirrig, was
allerdings auch mit der Aufnahme-
technik zusammenhängen dürfte,
die den Flügel eher in ein kühles
Klangbild stellt.
M a r io -F e lix V o g t
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★ ____________
Das DR-Logo gibt den Dynamikumfang des Tonträgers an. Nähere Infos unter www.stereo.de
STEREO 9/2014 131
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